Schaltungstechnik - Röhrenverstärker

Einige grundlegende Überlegungen beim Transistorverstärker treffen auch auf den Röhrenverstärker zu. Darum werde ich die hier nicht nochmal wiederholen. Wer will, kann dort nochmal nachlesen. Ohne Ansteuerung fließt durch die Elektronenröhre beim Anlegen einer Anodenspannung ein Strom. Die Arbeitsweise ist deshalb vergleichbar mit einer Verstärkerstufe mit selbst leitenden Feldeffekttransistoren.

Das Eingangskennlinienfeld

Die Abbildung zeigt die Eingangskennlinie einer Elektronenröhre, die sich doch von der bei Transistoren unterscheidet. Würde man das Eingangswechselspannungssignal einfach an das Steuergitter legen, würde es nicht, wie beim Transistor, gleichgerichtet werden. Es käme ein annähernd identischer Anodenstrom dabei heraus (Arbeitspunkt 1 in blau). Während der positiven Halbwelle des Eingangssignals würde aber ein Strom über das Gitter abfließen. Das ist allerdings unerwünscht. Die Röhre soll möglichst stromlos, also hochohmig, angesteuert werden. Bei indirekt beheizten Röhren fließt bereits bei kleinen negativen Spannungen ein Gitterstrom. Der rosa hinterlegte Bereich sollte vermieden werden.

Eingangskennlinie

Deshalb verschiebt man den Ruhearbeitspunkt hin zu einer negativen Gitterspannung (Arbeitspunkt 2). Durch die überlagerte Wechselspannung wird das Gitter jetzt nicht mehr positiv, sondern nur mehr oder weniger negativ. Die optimale Gittervorspannung kann man dem Datenblatt der Röhre entnehmen. Die Spannung kann allerdings nicht, wie beim Bipolartransistor, aus der Betriebsspannung gewonnen werden, da diese positiv ist. Im Prinzip gibt es 4 Methoden, das Gitter negativ zu machen.



Gittervorspannungserzeugung

externe Gittervorspannung

Naheliegend wäre, das Netzteil so zu konstruieren, dass es auch negative Spannungen hergibt. Der Aufwand ist allerdings recht groß, denn man braucht für jede Röhre im Gerät eine gesonderte Spannung. Kleine Spannungen lassen sich auch viel einfacher erzeugen. Deshalb kommt diese Art der Vorspannungserzeugung nur bei Endröhren vor, die sehr hohe Gittervorspannungen erwarten.

externe Gittervorspannung

Gittervorspannung aus dem Anlaufstrom

Auch ohne Anodenspannung bewegen sich Elektronen von einer beheizten Kathode weg in Richtung Gitter. Diese Ladungsträgerbewegung nennt man Anlaufstrom. Die Elektronen, die auf dem Steuergitter landen, laden das Gitter mit der Zeit immer negativer auf. Das Gitter kann dadurch so negativ werden, dass kein Anodenstrom mehr fließen könnte. Damit es nicht so weit kommt, legt man einen hochohmigen Widerstand vom Gitter zur Masse, damit die Elektronen wieder abfließen können.

Gittervorspannung durch Rg

Den optimalen Wert für RG findet man im Datenblatt der Röhre. Er liegt meist zwischen 10 MΩ und 20 MΩ. Wird er zu hoch gewählt, können die Elektronen nicht richtig abfließen. Bei zu niedrigem Gitterwiderstand kann sich kaum eine Spannung aufbauen und das Gitter hat wieder fast Massepotential.
Diese Art der Vorspannungserzeugung taugt nur etwas für Vorstufen. Da die Röhren nicht weit ausgesteuert werden müssen, reichen niedrige Gittervorspannungen aus.

Automatische Gittervorspannungserzeugung

Das ist wohl die gebräuchlichste Methode, um dem Gitter eine negative Vorspannung zu geben. Sie lässt sich auch auf Transistorverstärker übertragen. Der Gitterwiderstand wird so gewählt, dass das Steuergitter fast auf Massepotential liegt. Zusätzlich kommt ein Widerstand in die Kathodenleitung. Durch den Anodenstrom entsteht über ihm ein Spannungsabfall. Das Potential der Kathode wird dadurch angehoben und ist jetzt positiver als die Masse. Damit ist das Gitter gegenüber der Kathode um diesen Spannungsabfall negativer.

Automatische Gittervorspannungserzeugung

Mit RK kann man die Gittervorspannung für jede Röhre unabhängig einstellen. Zur Berechnung braucht man den Anodenstrom im Ruhearbeitspunkt. $$R_K = \frac{U_G}{I_A}$$ Über RK entsteht aber auch eine Gegenkopplung für das Wechselspannungssignal. Deshalb wird zur Überbrückung ein ausreichend großer Kondensator parallel geschaltet.
Die automatische Gittervorspannungserzeugung kommt an ihre Grenzen, bei hohen Anodenströmen und großen Gittervorspannungen, zum Beispiel bei Verstärker-Endröhren, denn am Kathodenwiderstand wird das Produkt aus Strom und Spannung in Wärme umgesetzt.
Rechnen wir ein Beispiel mit der Triode EC92. Wie beim Transistorverstärker benutzen wir das Ausgangskennlinienfeld für die Dimensionierung. Auch hier sollte man sich zunächst mal die Grenzwerte im Datenblatt ansehen und einzeichnen. Das ist eine maximale Anodenspannung von 300V, ein Maximalstrom von 15mA und eine maximale Anodenbelastung von 2,5W.

Ausgangskennlinie EC92

Wir rechnen mit einem Anodenwiderstand von 47kΩ. Das ist ein durchaus gängiger Wert für diese Röhre. Die Betriebsspannung soll 280V betragen. Damit ergibt sich ein maximaler Strom von $$I_a = \frac{280V}{47k \Omega} = 5,96mA.$$ Die Gittervorspannung soll etwa -2V betragen. Das ergibt einen Ruhestrom von etwa 3mA. Damit können wir den Kathodenwiderstand zur Vorspannungserzeugung berechnen: $$R_K = \frac{2V}{3mA} = 666 \Omega$$ Wir wählen 620Ω. Den Eingangskondensator am Gitter und den Kathodenkondensator berechnen wir genauso wie beim Transistorverstärker. Als Eingangswiderstand setzen wir den Gitterwiderstand der Röhre an. Als Maximalwert für RK ist im Datenblatt 1MΩ angegeben. Die untere Grenzfrequenz soll bei 50Hz liegen. $$X_{Ce} = \frac{1}{5} \cdot R_G = \frac{1}{5} \cdot 1M \Omega = 200k \Omega$$ $$X_{CK} = \frac{1}{10} \cdot R_K = \frac{1}{10} \cdot 620 \Omega = 62 \Omega$$ $$C_e = \frac{1}{2 \pi \cdot f_G \cdot X_{Ce}} = \frac{1}{2 \pi \cdot 50Hz \cdot 200k \Omega} = 15,9 nF$$ $$C_K = \frac{1}{2 \pi \cdot f_G \cdot X_{CK}} = \frac{1}{2 \pi \cdot 50Hz \cdot 62 \Omega} = 51,3 \mu F$$

Halbautomatische Vorspannungserzeugung

Die automatische Vorspannungserzeugung funktioniert nicht bei Verbundröhren wie der ECL81, bei denen die Kathoden intern miteinander verbunden sind oder bei direkt beheizten Röhren, die an einem gemeinsamen Heizstromkreis hängen. Bei der halbautomatischen Gittervorspannungserzeugung wird der Minuspol, des Netzteils nicht direkt mit der Signalmasse verbunden, an der die Kathoden liegen. In die Minusleitung kommt eine Reihenschaltung von Widerständen, durch die der gesamte Strom des Gerätes fließt. Nach jedem Widerstand wird durch den Spannungsabfall das Potential gegenüber der Signalmasse immer negativer. So kann man abgestuft verschiedene negative Vorspannungen erzeugen. Zuerst für die Vorstufen und zum Schluss für die Endstufe, die eine höhere Gitterspannung braucht.

Halbautomatische Gittervorspannungserzeugung

Der Punkt 0 in der Abbildung liegt auf Massepotential. Punkt 1 ist um den Spannungsabfall über R1 negativer und mit dem Gitter der ersten Röhre verbunden. An Punkt 2 kommt der Spannungsabfall über R2 noch dazu. Die Spannung am Gitter der zweiten Röhre ist also noch negativer. $$-U_{G1} = R1 \cdot I_{ges}$$ $$-U_{G2} = (R1+R2) \cdot I_{ges}$$ Die Kondensatoren in den Gitterleitungen sollen die Gitterspannung nochmal glätten, damit keine Brummspannung auf der Versorgungsleitung an das Gitter gelangen kann. Problematisch bei der halbautomatischen Gittervorspannungserzeugung ist, dass die Gitterspannung von der Gesamtstromaufnahme des Gerätes abhängt. Sie kann also mit der Aussteuerung schwanken. Die Stromaufnahme kann sich auch verändern, wenn eine Röhre altert. Das wirkt sich dann auf alle Stufen des Gerätes aus.



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